Oculus Rift für 499 Euro
Tower Tag auf Steam

Es gab dieses Jahr gefühlt kein Medium, das nicht angekündigt hätte, dass Virtual Reality 2016 seinen Durchbruch erleben würde. Der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Der Anfang der Zukunft. Nun neigt sich 2016 seinem Ende zu und gleichzeitig stellt sich auch eine gewisse Ernüchterung ein.

Denn die Massen strömten nicht in die Läden, um den Händlern eine HTC Vive oder Oculus Rift aus den Händen zu reißen. Der Durchbruch scheint sich zu verspäten, auch wenn Sony das Interesse an VR mit der PlayStation VR deutlich gesteigert hat. Fast sieht es ein wenig so aus, als wäre VR das Kind, das beim Schulsport noch als Letztes beim Wählen auf der Bank sitzt. Zumindest noch in diesem Jahr. Aber realistisch gesehen waren die Erwartungen häufig zu hoch an die neue Technologie und diese konnte VR auch nicht erfüllen. Und dafür gibt es gute Gründe.

Ganz klar kann man aber sagen, dass sich VR im öffentlichen Bewusstsein verankert hat. Und genauso sicher kann man davon ausgehen, dass die große Masse der Bevölkerung noch immer nicht wirklich weiß, was sie mit VR anfangen soll. Und ganz böse Kritiker vergleichen den Hype rund um Virtual Reality schon jetzt mit dem Wirbel, der um Google Glass, Smartwatches und Wearables gemacht wurde. Wo diese Hypes endeten, wissen wir alle. Allerdings wurden die gleichen Versprechungen über VR im Vorfeld auch über Smartphones, soziale Netzwerke und die Cloud gemacht. Und wie sich diese Hypes entwickelten, wissen wir auch alle.

Sogar die Simpsons werden virtuell

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Warum VR mehr mit der Entwicklung von Smartphones als mit der von Google Glass zu vergleichen ist, zeigen einige kleine aber feine Unterschiede. Und als klarer Indikator gilt dabei die Werbung – und das gute alte Fernsehen. Denn wenn eine traditionell-konservative Institution wie der Tatort VR aufgreift, kann man sich sicher sein, dass die gesellschaftliche Relevanz in den deutschen Wohnzimmern angekommen ist. Doch nicht nur in der Bundesrepublik ist VR auf dem sozial-relevanten Vormarsch. Selbst die Simpsons haben in ihrem Vorspann-Couch-Gag zur 600. US-Folge, 360 Grad Videos gelungen aufs Korn genommen. Und wenn eine solche traditionsgebundene Medieninstitution, immerhin eine der am längsten ausgestrahlten Fernsehserien überhaupt, sich diesem Thema annimmt, kann man von einer Popkultur-Adelung sprechen. Und immer mehr Firmen beginnen sich für VR zu interessieren – und setzen dies imageträchtig in Werbespots um. Allerdings geht es den Unternehmen dabei wohl ähnlich wie dem Rest der Bevölkerung: Was sie mit der virtuellen Realität in echt anfangen sollen, ist ihnen noch nicht so wirklich bewusst.

VR wird noch allein auf Gaming reduziert

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Marketing, E-Commerce, neues Storytelling, das eigene Alltagsleben: Es gibt scheinbar keinen Bereich, dem nicht zugeschrieben wurde, dass er von VR komplett umgekrempelt werden würde. Und unbestritten hat Virtual Reality dieses Potenzial. Realistisch gesehen ist der Einfluss von VR – zumindest in diesem Jahr – aber überschaubar geblieben. Denn tatsächlich gibt es im Moment scheinbar nur zwei Branchen, die es geschafft haben, VR wirklich erfahr- und begreifbar zu machen: die Gaming- und die Porno-Industrie.

Natürlich gelten diese zwei Wirtschaftszweige traditionell auch zu den Pionieren, die neue Technologie als Erstes aufgreifen und vermarkten. Immerhin war es die Sexbranche, die in der Vergangenheit für den wirtschaftlichen Durchbruch von Videokassetten, DVD und Blu-Ray sorgte. Während wir die Einschätzung über den tatsächlichen Nutzen von VR-Porn aber lieber den Experten überlassen, fällt die Analyse hinsichtlich der Spiele-Branche einfacher aus. Wenn auch nicht unbedingt positiv – zumindest was man auf der bisherigen Habenseite verbuchen kann.

Alte Spiele in neuen Schläuchen

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Ein Argument, das immer wieder aufgeführt wird: VR braucht guten Content, um langfristig zu bestehen. Dem kann man nur schwer widersprechen. Denn die beste Technologie nützt dem Nutzer nichts, wenn er sich dabei zu Tode langweilt. Gerade bei der aktuellen Generation von VR-Spielen hat der Gamer von heute oft ein Déjà-Vu-Erlebnis: „Habe ich das nicht schon einmal gespielt?“

Und der Eindruck trügt nicht. Denn Altbekanntes wird im Moment gerne neu aufgebacken. Eigentlich schon auf das Altenteil gesetzte Genres werden auf einmal wieder topaktuell. Jump n‘ Runs waren eigentlich schon längst eine Nischensparte für Liebhaber. Und auch Autorennspiele und Weltraumshooter sind auf einmal wieder ganz heiße Eisen – allerdings mit mehr Spielspaß. Selbst das ausgestorbene Genre des Railshooters (bekannt aus den Spielhallen der 80er und 90er Jahre) ist als Gaming-Untoter in Until Dawn: Rush of Blood wiederauferstanden.

Noch nostalgischere Gefühle kann man bekommen, wenn man die Apps für Google Cardbord oder Oculus Rift näher betrachtet. Da kann man dann PacMan virtuell wiedertreffen oder – irgendwie passend – auf alle möglichen Arten von Zombies schießen. Anspruchsvolle, emotional erfahrbare Spielerlebnisse? Leider aktuell noch die Ausnahme. Es gibt aber auch Spiele, die zeigen, dass es auch anders geht. Wenn man sich anschaut, wie charmant beispielsweise Damaged Core die aktuelle Schwachstellen umschifft, wünschte man sich, dass mehr Entwickler diesen Ehrgeiz und Anspruch bei der Entwicklung zeigen würden.

Wiederum darf man natürlich auch nicht vergessen, dass mit VR Träume wahr werden. Einmal in einem Rennauto sitzen und über die Strecke jagen? Kein Problem! Selbst Menschen die vorher nichts mit Rennspielen anfangen konnten, können jetzt diesem und anderen Genres etwas abgewinnen. Doch die erwartete Killerapp ist ein Aufguss bekannter Spieler sicherlich nicht.

Keine Sorge, die Zukunft ist wirklich da

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Ist das jetzt ein Grund dafür, auf Zweckpessimismus umzuschalten? Natürlich nicht. Denn vermutlich werden wir rückblickend 2016 als das Jahr ansehen, in dem die Early-Adopters (oder auch wahre VR-Nerds genannt) endlich die Hardware zur Verfügung gestellt bekommen haben, die auch wirklich den hohen Erwartungen der Nutzer gerecht wurde. Und das zu einem Preis, der auch für den Otto-Normalverbraucher erschwinglich wurde. Zumindest bei der PlayStation VR von Sony. Dass der Mainstream noch nicht komplett nachgezogen hat, kann man irgendwie auch als Kompliment ansehen.

Denn die breite Masse wird noch früh genug folgen. Schließlich steht bereits Googles Daydream in den Startlöchern – von der wiederum die Experten prognostizieren, dass dies der Garant dafür sein wird, dass VR massentauglich wird. Wobei auch Daydream mit den gleichen Problemen kämpfen wird – hoher Preis der Pixel Phones, wenig Content und die Google-Exklusivität – wie es HTC Vive, Oculus Rift und PSVR bereits im Moment tun. Doch mit Eröffnung des ersten Google App-Stores für VR, werden auch die Tore für die Massen geöffnet werden. In wenigen Jahren wird vermutlich fast jeder Mensch ein Smartphone besitzen, welches eine tolle VR Erfahrung liefern kann.

Und den Early-Adopters wird der Spaß auch nicht ausgehen, denn sie können sich auf neues Storytelling und anspruchsvollen Content freuen. Denn die Masse ist meistens immer kritischer und die Nachfrage regelt der Markt. Deshalb werden auch die Publisher zukünftig darauf angewiesen sein, neue Wege zu gehen. Denn die Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein. Und deshalb wird 2017 das Jahr für Virtual Reality werden. Ganz sicher.

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