Achterbahnen und das Oculus Rift, sind bereits seit dessen Frühphase ein Traumpaar. Das sitzende Erlebnis auf einer vorgefertigten Bahn entlang zu fahren, ist bestens geeignet um Oculus Rift-Neulingen die virtuelle Realität näher zu bringen. Durch ungewohnte Bewegungen eines Spielavatars ausgelöstes Unwohlsein, wie es bei nicht korrekt für das Oculus adaptierten Spielen auftreten kann, fällt auf der Achterbahn weitestgehend weg, da das Erlebnis des Nutzers einer realen Achterbahnfahrt sehr ähnelt.
VR Coaster und Mack Rides im Europa-Park
Thomas Wagner, Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kaiserslautern und Gründer von VR Coaster, war dies jedoch nicht genug. Die für das echte Erlebnis einer echten Achterbahn so wichtigen G-Kräfte fehlen auf dem Oculus Rift. Daher hatte Wagner die Idee mithilfe des Oculus Rift eine Achterbahn aufzuwerten. Im Februar 2014 trat der Professor mit seiner an den deutschen Achterbahn-Spezialisten Mack Rides heran, dieser war von der Idee ein virtuelles Erlebnis mit einer realen Fahrt auf einer Achterbahn zu kombinieren begeistert und bat sogleich seine Unterstützung an, indem er zwei seiner Achterbahnen aus dem Europapark, Pegasus und Blue Fire, für den Professor und dessen Studenten zur Verfügung stellte.
Das findige Team von VR Coaster um Wagner begann sogleich mit der Arbeit und bereits im April 2014 konnten die ersten Testfahrten gemacht werden. Dass das Projekt erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt ist, ist hauptsächlich patentrechtlicher Natur sowie der Lösung kleinerer und größere Problem geschuldet. Eines dieser Probleme welches möglichst bald gelöst werden musste, war der Abgleich der Geschwindigkeit der realen Achterbahn mit der virtuellen Fahrt auf dem Oculus, hierfür wurden Sensoren an den Rädern der Bahn befestigt, welche die Rotationsgeschwindigkeit des Rades messen und diese an einen Computer weitergeben. Dieser Computer muss allerdings, wegen des Mangels einer kabellosen Lösung für das Oculus Rift, an Bord der Bahn mitfahren, was gleich das nächste Problem ergab. Da der Laptop die Fahrt mitmachen muss, muss dieser einerseits den Erschütterungen standhalten und andererseits darf dieser nicht runterfallen oder gar nach einer besonders engen Kurve als Geschoss durch den Park fliegen. Um dies zu verhindern, wurden mit SSD-Festplatten ausgestattete Macbooks an einer eigens konstruierten Halterung angebracht. Das Problem eines etwaig abfliegenden Oculus Rift wurde anfangs noch dadurch behoben, dass zusätzlich ein Fahrradhelm aufgesetzt wurde, rasch wurde jedoch festgestellt, dass bei der Fahrt keine Kräfte auftreten die in der Lage wären, das Oculus Rift vom Kopf zu reißen.
Virtuelle Achterbahn besser als die Echte
Während der Testfahrten machten das Team um Professor Wagner erstaunliche Entdeckungen bezüglich des Fahrerlebnisses. Zunächst fiel auf, dass im Gegensatz zu einer simulierten Fahrt auf der Achterbahn am heimischen Rechner, die gefürchtete Motion Sickness nicht auftrat. Dieser Umstand lässt sich, so die Vermutung der Entwickler, darauf zurückführen, dass die Fahrt der Bahn und das VR-Erlebnis exakt synchronisiert sind. Noch beachtlicher ist, dass die Tester angaben die Achterbahnfahrt mit dem Oculus Rift sei angenehmer als ohne das Headset. Ein Umstand für den Wagner die freie Möglichkeit des Designs, als wahrscheinliche Erklärung angab, denn durch das Design der virtuellen Stecke könnten übliche Stressfaktoren einer Achterbahn minimiert werden, zu dem würde die virtuelle Umgebung mehr wie ein sicherer Hafen empfunden werden, als die offene Konstruktion der realen Achterbahn. Die virtuelle Achterbahnfahrt muss sich auch nicht an Schienen halten, ein Flug durch ein Asteroidenfeld ist ebenso möglich, wie die Suggestion eines geraden Streckenteils, welches durch einen plötzlich auftretenden Umstände modifiziert wird, während die reale Fahrt jedoch einfach den Schienen folgt. Auf diese Weise, kann auf der festgelegten Achterbahnstrecke der Eindruck eines dynamischen, sich verändernden Fahrerlebnisses erzeugt werden
Wie sehr man mit den Sinnen der Probanden spielen kann, zeigt ein anderes Phänomen: Da der Mensch ohne Hilfe seiner Augen nur recht grob Lageänderungen oder Bewegungen im Raum einschätzen kann, ist es möglich das Streckendesign der realen, der virtuellen Fahrt zu Grunde liegenden, Achterbahn zu verändern. Kurven können enger gemacht oder erweitert werden, so kann aus eine reale Kurve mit einem Winkel von 90 Grad so verändert werden, dass die Kurvenradien der virtuellen Kurve 45 oder 135 Grad entsprechen. Darüberhinaus ist es möglich aus einer Bremsung eine Beschleunigung zu machen, hierfür müssen die Fahrerin in der virtuellen Tour lediglich um 180 Grad gedreht werden, wie bei einem Auto, das rückwärts fährt, würde dann beim Bremsen der gegenteilige Eindruck einer Beschleunigung entstehen. Dies alles bieten den Entwickler einen ungeahnten Spielraum in der Entwicklung virtueller Fahrten, die mechanisch ungeheuer aufwendigen und kostenintensiver Achterbahnen können mithilfe des VR-Headsets noch komplexer gestaltet werden und in eine neue Umgebung eingebettet werden, eine Themenlandschaft die bei den riesigen Konstruktionen sehr teuer wäre, kann im virtuellen Raum problemlos integriert werden. Bereits in der Frühphase hatte das Team um Professor Wagner auch an Interaktion gedacht, in der auf der Blue Fire-Achterbahn aufgebauten virtuellen Fahrt fliegt man durchs Weltall und kann auf feindliche Raumschiffe schießen. Zur Steuerung wird eine Kombination aus dem Headtracking des Oculus Rift und einem gewöhnlichen Gamepad verwandt – Probleme mit er Steuerung während der Fahrt gab es laut Aussagen der Entwickler nicht.
Die Zukunft der Achterbahn
Unter dem Aspekt einer begrenzeten Belastbarkeit des menschlichen Körpers sind der Suche nach immer extremer werdenden Achtbahnkonstruktionen Grenzen gesetzt. Um den Besuchern von Freizeitparks ein noch intensiveres Erlebnis bieten zu können, müssen die Entwickler neue Wege einschlagen.Auf der Suche nach neuen Attraktionen, könnte VR Coaster hier eine Revolution im Achterbahnbau einläuten und diverse Vorteile für Betreiber und Besucher bieten: Die Nutzer können sich, je nach Betrachtungsweise, über eine unvergleichliche Achterbahnfahrt oder ein mit faszinierend guten Forcefeedback ausgestattetes VR-Erlebnis freuen. Für die Betreiber bietet VR Coaster die Möglichkeit Kosten für aufwendige Umgebungen im Park zu reduzieren, ursprünglich einfacher gestaltete Bahnen aufregend wirken zu lassen und hierbei bereits bestehende Bahn aufzuwerten. Ob mit VR Coaster tatsächlich ein neues Zeitalter der Achterbahnen anbricht, bleibt abzuwarten und wird vordergründig durch den Kosten-/Nutzenfaktor entschieden werden: Die filigrane Technik wird durch die starken mechanischen Belastungen während der Fahrt stark belastet, so dass hohe Ausfallzeiten zu befürchten sind und eine der Belastung durch die Fahrt angepasste VR-Lösung voraussichtlich teuer wird.
Kann VR Coaster jedoch langlebig, stabil und vertretbar günstig realisiert werden, dann werden wir in der Zukunft definitiv VR-Brillen auf Achterbahnen tragen.