Wer eine Schwäche für gut gemachte Strategie- oder Rollenspiele hat, mit leuchtenden Augen von der X-Com-Reihe erzählen kann, in vielen VR-Spielen eine packende Storyline vermisst und dabei auch noch etwas für Neo Noir bzw. Cyberpunk übrig hat, der könnte mit „Augmented Empire“ von Coatsink richtig glücklich werden. Bereits im März konnten wir ja bereits Hand an das Spiel legen. Ob Augmented Empire neben einer netten Tabletop-Sicht noch mehr drauf hat und ob es auch lange motivieren kann, klären wir im Test.
Willkommen in New Savannah
Gedämpftes Licht dringt durch die hohen Fenster des kleinen, heruntergekommenen Appartements. Der alte Plattenspieler und das antik wirkende Telefon versprühen einen Hauch von Nostalgie, der sich nur schwerlich mit dem bläulich glühenden Holotisch und dem unaufhörlich plappernden Roboter vermischen will.
Bereits der Start von „Augmented Empire“ zeigt sich außerordentlich atmosphärisch. Wir spielen Craven, dessen Stimmbänder nach einer verpfuschten OP den Dienst quittiert haben. Doch zum Glück übernimmt unser Roboter-Freund Hartmann das Reden. Nebenbei ist er auch noch ein talentierter Bastler und bringt so ganz nebenbei den alten Holotisch wieder zum Laufen, der von da an Dreh- und Angelpunkt des Spiels wird.
Da wir mit den Kameras der ganzen Stadt verkabelt sind, haben wir die Möglichkeit sämtliche Orte als 3D-Model in unserer Wohnung darzustellen. Und diese Fähigkeit ist bitter nötig, plant Craven doch gegen die Mächtigen von New Savannah vorzugehen. Die Stadt ist bereits seit Jahrzehnten in verschiedene Bereiche aufgeteilt, die nur Bürger mit einem entsprechenden Rang betreten können – und der will erst einmal verdient werden. Egoismus, Ausbeutung und Ränkespiele sind daher in New Savannah an der Tagesordnung. Eine Welt, in der sich Hauptcharakter Willa nur allzu gut auskennt – denn sie ist kurz davor, den höchsten Rang der Stadt zu ergreifen. Durch Umstände, auf die wir nicht näher eingehen (Spoiler-Gefahr!), verliert sie jedoch all ihre Privilegien und wird wieder auf Rang 0 zurückgestuft. Während dieser Ereignisse trifft sie auf Craven, der seine Unterstützung anbietet – natürlich nur zu einem gewissen Preis. Willa soll ein Team aus Spezialisten zusammenstellen, das Cravens Befehlen folgt, damit er seine Pläne verwirklichen kann. Als Gegenleistung waschen wir Willas guten Namen wieder rein.
Wie ist die Luft da oben?
Weitere Einzelheiten zur Story verraten wir an diesem Punkt natürlich nicht. Denn Augmented Empire glänzt vor allem aufgrund seiner stimmigen Atmosphäre, dem erfrischenden Spielprinzip und insbesondere wegen der spannend erzählten Geschichte, die das Spiel in jeder Mission vorantreibt. Während wir nur selten in unser eigentliches Appartement zurückkehren, etwa um Telefonanrufe zu tätigen oder um uns mit Hartman zu unterhalten, verbringen wir die meiste Zeit des Spiels an unserem gut ausgestatteten Holotisch. Hier leveln wir unsere Heldengruppe auf, geben ihnen RPG-typisch unterschiedliche Fähigkeiten oder bauen bereits vorhandene Künste weiter aus.
In den einzelnen Missionen steuern wir die Charaktere, indem wir sie auf den detailreich ausmodellierten 3D-Umgebungen hin und her bewegen, mit anderen Leuten reden lassen oder Items aufsammeln. Bei den Gesprächen selbst gibt es nur ein Minimum an Interaktion. Ab und an fragt uns unser Gefährte Hartmann welche Ratschläge wir geben würden – hier können wir dann unterschiedliche Herangehensweisen wählen, ohne dass dies große Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte hat.
Obwohl man sich manchmal wünschen würde, man könnte ein wenig näher an die einzelnen Umgebungen heran zoomen, ist die gewählte Schräg-von-oben-Perspektive in den Kämpfen ein wahrer Segen. Ganz so wie man es von rundenbasierten Taktik-Shootern wie der X-Com-Serie oder Jagged-Alliance-Reihe kennt, kann man in den einzelnen Zügen jede Team-Figur auswählen, über das Schlachtfeld navigieren, in Deckung gehen oder angreifen lassen. Ein weiterer Klick öffnet das Aktionsrad, in dem man die individuellen Fähigkeiten der Charaktere auswählen kann. Die Möglichkeiten sind hier zahlreich und reichen vom Provozieren des Schlägers, über den Kopfschuss des Scharfschützen bis hin zum Hacking des Programmierers, mit dem wir die Roboter der Feinde kapern dürfen.
Dabei verlangt uns Augmented Empires einiges ab. Egal ob beim Angriff, Konter oder Ausweichen – stets wird uns ein Balken angezeigt, durch den eine Markierung läuft. Erreicht die Markierung den gewünschten Bereich – Angriff, kritischer Angriff, Ausweichen oder Gestreift – drücken wir das Touchpad. So haben wir es selbst in der Hand, ob unsere Angriffe treffen oder vielleicht sogar Extra-Schaden verursachen. Sind wir jedoch zu schnell oder zu langsam, geht ein Angriff schon mal ins Leere oder wir selbst bekommen mehr Schaden. Diese kleine interaktive Komponente lockert die Kämpfe stets auf und sorgt dafür, dass wir das Gefühl haben etwas zu Sieg oder Niederlage beitragen zu können.
Augmented Empire ist nicht schwer
Der Schwierigkeitsgrad wurde dabei allerdings nicht besonders hoch geschraubt. Wenn man bei den Geschicklichkeitseinlagen nicht grundlegend versagt – prinzipiell ist die Nutzung eines GearVR-Controllers zu empfehlen – gerät man nur selten in heikle Momente. Wer die verschiedenen Level durchsucht, wird auch schnell bezüglich der versteckten Items, Ausrüstung und Fähigkeitspunkte fündig. Trotzdem löst das obligatorische Absuchen einen kleinen Jäger- und Sammlertrieb aus. Auch gegen Ende des Spiels werden die Kämpfe nicht unbedingt anspruchsvoller, es kommen nur ab und zu neue Gegner-Typen hinzu. Gefallene Charaktere stehen nach dem Kampf wieder auf und zu Beginn jeder Gegner-Runde sind alle Charaktere prinzipiell voll geheilt. Das sorgt dafür, dass auch mehrere aufeinanderfolgende Kämpfe nicht anstrengender werden als ein einzelner Kampf. Verschiedene Schwierigkeitsgrade sucht man ebenfalls vergebens.
Toller Sound, gute Grafik
Fazit
Augmented Empire ragt zweifelsohne aus der Reihe der bisher erschienen GearVR-Titel hinsichtlich des Spielkonzeptes und der Storyline heraus. Zwar bietet Augmented Empire keine abzweigenden Handlungsstränge oder ein tiefer gehendes Rollenspiel, doch die Kämpfe sind spaßig, die Geschichte spannend und die Charaktere dank toller Sprecher durch die Bank weg interessant und sympathisch. Wer mit dem etwas zu leichten Schwierigkeitsgrad leben kann, ein fesselndes Spiel haben möchte, dass auch mindestens fünf Stunden Spielzeit mit sich bringt, der kann bedenkenlos zugreifen.
- Interessante Geschichte
- Gute (englische) Sprecher
- Toller Art Style
- Leichter Schwierigkeitsgrad
- Grafik zuweilen zweckmäßig