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Test: Brass Tactics – Strategie für die Oculus Rift

Viel Spaß!

Brass Tactics ist ein frisches RTS, das exklusiv für die Oculus Rift erschienen ist und den Lead Designer von Age of Empires II zu seinen Entwicklern zählen darf. Die kostenlose Demo, bei der der Mutliplayer-Modus vorgestellt wird, haben wir uns bereits angeschaut. Doch was hat die kostenpflichtige Version auf dem Kasten? Wenn ihr wissen wollt, wie Brass Tactics funktioniert, dann schaut bitte in unseren Artikel zu Brass Tactics: Arena. In diesem Artikel beschränken wir uns auf die Unterschiede zur Vollversion.

Tolle Multiplayer-Schlachten und brauchbare Missionen

Brass Tactics Paradedisziplin ist auch in der Vollversion der Multiplayer-Modus. Glücklicherweise sind stets genügend Spielende online. Sollte die Wartezeit trotzdem etwas länger dauern, kann man sich die Zeit mit einem kleinen Gefecht gegen den Computer vertreiben.

In der Vollversion erwarten euch die selben Einheiten wie in Brass Tactics: Arena, doch ihr könnt eure Sets individuell gestalten und frei entscheiden, welche Einheiten ihr mit welcher Ausbaustufe der Burg erhalten wollt. Außerdem erhaltet ihr Zugriff auf weitere Maps, welche sich nicht nur auf die Kampagne beschränken. Es gibt zusätzlich acht verschiedene Schauplätze für Multiplayer-Schlachten und sechs Maps für kooperative Partien. Was zunächst wenig klingt, fühlt sich aber überhaupt nicht problematisch an. Dadurch, dass verschiedene Gebiete eingenommen werden müssen, spielt sich jede Runde anders und der starke Tabletop-Charakter schürt bei uns auch kein Verlangen nach unendlich vielen Karten. Die vorhanden Schauplätze sind wunderschön gestaltet und versprühen alle ihren eigenen Charme. Leider hat man viel zu wenig Zeit, die Karten zu betrachten, da es in Brass Tactics sehr schnell wild zur Sache geht.

Bei den Einheiten ist die künstliche Verknappung störender als bei den Maps. Zwar spielt sich Brass Tactics somit ausgeglichen, doch das ist auch nicht verwunderlich, da es nur eine Spezies beziehungsweise ein Volk gibt. Dieser Umstand verdirbt zwar nicht die Spannung, beschränkt jedoch die spielerische und taktische Vielfalt. Hieraus resultiert auch, dass sich nach einigen Runden die Schlachten relativ ähnlich spielen, auch wenn der Widersacher mal einen kreativen Einfall hat. Da man die gleiche „Rasse“ spielt, gibt es kaum unvorhersehbare oder unvertraute Taktiken. Auch die optische Abwechslung bleibt auf der Strecke, was schnell das Gefühl aufkommen lässt, dass sich alles wiederholt.

Zudem fehlt es den Einheiten selbst an Tiefgang. Zusätzliche Modi, Waffen oder Befehle sucht man vergeblich. Diese Reduzierung auf das Wesentliche ist vermutlich dem VR-Setting geschuldet, um den Spielenden nicht zu überfordern und ein schnelles und zielgerichtetes Duellieren zu ermöglichen. Zudem wäre ein kleinteiliges Micromanagement mit den Touch Controllern ohnehin ziemlich schwierig. Deshalb sollte man sich auch nicht von der augenscheinliche Einfachheit der Einheiten abschrecken lassen, denn die Entwickler holen wahrscheinlich schon sehr viel von dem heraus, was mit den Touch Controllern bei einem RTS überhaupt möglich ist. Außerdem liegt der Fokus eher auf dem geschickten Agieren und Taktieren in größeren Gruppen. So teilt sich beispielsweise eine Gruppe an Einheiten  stets eine Anzeige für die Gesundheit, welche wunderschön durch eine kleine Flagge über der Gruppe dargestellt wird, wodurch kleine Patzer beim Tiefgang der Einheiten verschmerzbar sind. Durch die Reduzierung ist Brass Tactics ein sehr übersichtliches Spiel und die Fortbewegungen über den Tisch, das Bauen und das Herstellen von Einheiten klappt hervorragend.

Was uns jedoch wirklich genervt hat, war die Steuerung der Einheiten in Gefechtssituationen. Das Micromanagement mit den Motion Controllern kann euch das Genick brechen, denn schnell ist eine falsche Einheit markiert und  eure Formation ist hinfällig, der Angriff abgebrochen oder eure Einheiten ziehen sich aus der Schlacht zurück und werden beim Rückzug ermordet. Durch fehlende Hotkeys und Gruppierungen muss man stets selbst Hand anlegen, was zwangsläufig zu Fehlern führt. Wenn man den Dreh jedoch raus hat und nicht ständig versucht, die Positionen seiner Einheiten zu optimieren, wird man auch im kompetitiven Modus erste Erfolge einfahren können. Ein RTS in VR spielt sich halt anders als ein RTS mit Tastatur und Maus.

Brass Tactics: KI Royal

Im Einzelspieler-Modus erwarten euch acht verschiedene Schauplätze und bis zu sechs Stunden Spielzeit, wobei ihr zwischen drei unterschiedlich starken digitalen KIs wählen könnt. Wie in jedem RTS ist die Kampagne hervorragend geeignet, um sich mit den Einheiten vertraut zu machen und alle Mechaniken und Tricks aufzusaugen. Jedoch nervt zwischen den Missionen der ständige Wechsel ins Menü.

Auf der Habenseite sind die Gegner mit viel Liebe inszeniert und sie geben euch nicht das Gefühl, gegen eine stumpfe und seelenlose KI zu spielen. So wird beispielsweise euer Erzfeind Zavolto von Game-of-Thrones-Darsteller  Aidan Gillen (Little Finger) gesprochen, wobei diese Auswahl beim Setting wie die Faust aufs Auge passt. Dennoch fühlen sich die Missionen nicht wie ein wirklich wichtiges Element des Spiels an. Das Duellieren mit echten Menschen macht letztendlich doch viel mehr Spaß als die Gefechte gegen die KI. Durch den sichtbaren Avatar sowie die – deaktivierbare – Sprachverbindung könnt ihr euren Konkurrenten sogar online hervorragend provozieren und vorführen. Oder einfach ein netter Mitspieler sein.

Fazit

In Brass Tactics dürfte einiges an Zeit in die Optimierung geflossen sein. Das Spiel fühlt sich sehr hochwertig an und gibt uns nicht das Gefühl, in einer reduzierten VR-Welt zu stehen. Die Steuerung ist durchdacht, die Tasten der Touch-Controller sinnvoll belegt und alles wirkt wie aus einem Guss. Somit schafft es Brass Tactics, uns schnell in seinen Bann zu ziehen.

Leider führte dieser Hang zur Perfektion auch dazu, dass die Entwickler nur sehr wenige Einheiten in das Spiel integriert haben, welche in ihrer Verwendung zusätzlich auch sehr begrenzt sind. Zu schnell verfällt Brass Tactics in ein sehr offensichtliches Schere-Stein-Papier-Prinzip, da es bei acht Einheiten nur eine begrenzte Auswahl an sinnvollen Einheiten zum Kontern gibt. Dennoch ist Brass Tactics derzeit eines der besten RTS-Spiele für die Virtual Reality. Strategie-Fans werden auf ihre Kosten kommen und sollten definitiv einen Blick in die kostenfreie Demo riskieren. Wenn ihr die Demo schon kennt, dann findet ihr hier die Vollversion des Spiels für knapp 40 Euro im Oculus Store.

Stark
  • Hochwertiges Spielgefühl
  • Schnelle und spannende Runden
  • Großartige Immersion durch Avatare und Tabletop-Optik
Schwach
  • Nur sehr wenige und einfallslose Einheiten
  • Steuerung in Stresssituationen nicht präzise genug
4 / 5