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Kommentar – The Void & Co.: Ist Hyper Reality reif für die Welt?

Viel Spaß!

Wer kennt den Begriff Hyper Reality? Mit Hyper Reality greife ich das Trademark der VR-Arcade-Spezialisten The Void auf und meine damit immersive Welten, in denen zum einen Real-Reality-Gegenstände eins zu eins mit der virtuellen Welt fusionieren, und die zum anderen weitere Spezialeffekte wie Wind, Wärme, Vibrationen, Gerüche enthalten. Die Frage des Titels stelle ich mir schon seit Jahren, seit den Zeiten der Oculus Rift DK1, als ich wieder anfing, mich intensiver mit VR auseinander zu setzen. Nachdem ich vor Jahren mit dem Forte VFX1 Headset das Interesse verloren hatte. Mit der ersten Veröffentlichung von Informationen zu The Void Ende 2015 treibt mich eben die Frage wieder um, ob Hyper Reality überhaupt nötig ist oder den Aufwand überhaupt wert ist.

Der aufmerksame Leser kennt noch meinen Erlebnisbericht zu The Voids Star Wars Experience in London. Während meines Aufenthalts in Dubai konnte ich die Ghostbuster-Installation im Hub-Zero-Spielcenter testen. Für 75 AED, umgerechnet rund 16 Euro, schlüpfen mein Bruder und ich in unsere Suits.

Suit Up! Ist Hyper Reality reif für die Welt?

Nun, ich will keinen detaillierten Erlebnisbericht zu Ghostbusters niederschreiben. Nur so viel, dass verständlich wird, warum mir dieses Thema wichtig ist. Nach dem Bezahlen und der Einführung schlüpfen wir in unsere Rapture Suits. Man merkt ihnen an, dass sie nicht mehr ganz taufrisch sind. Zum einen äußerlich, weil sie total zerkratzt sind und der „Lack ab“ ist, zum anderen auch technologisch, denn man erkennt die ältere Trackingtechnologie mittels Infratotbällen. Und diese funktioniert, naja, schlecht. Sogar erschreckend schlecht. Tracking Probleme des HMDs und des Protonenpacks (also der Gun) sind im Vergleich zur aktuellen Technologie eklatant. Ich bin einfach kein Fan von Optitrack. Hoffentlich werden die Inside-Out-Verfahren bald erwachsen. Wie auch schon bei Star Wars ist das Tracking so schwammig, dass ich mich nicht schnell bewegen möchte. Als wäre ich beschwipst.

Die im HMD eingebaute Leap Motion funktioniert in Ghostbusters nicht. Das wird gleich nochmal wichtig. Auch hier gab es durch das schlechte Tracking und die Programmierung heitere Momente. Beispielsweise, wenn Waffen in den Raum schwebten, die Arme ihrer Besitzer sich darauf wie bei Mr. Fantastisch in die Länge streckten oder ein neunjähriges Mädchen aussah wie ein Erwachsener, der geschrumpft wurde. Ich schätze die Entfernung vom HMD zum Boden skaliert das 3D-Modell, aber die Arme und die Waffe nicht. Go Go Gorilla! Die Avatare und ihre unnatürlichen Bewegungen ließen keinen Raum mehr für Immersion, das sah einfach unfassbar lächerlich aus.

Die grafische Darstellung und die Effekte waren top-notch, kann man nichts dagegen sagen. Der Sound ebenfalls, gut abgestimmt und die Over -Ear-Kopfhörer versorgten meine Ohren mit gutem Klang.

Bin ich in VR? Bin ich in der RR?

Nun möchte ich meine Gedanken zur eigentlichen Frage zusammenfassen. Braucht die Welt Hyper Reality? Noch dramatischer gefragt: kann Hyper Reality überhaupt funktionieren? Lässt sie unser Gehirn zu? Ich muss subjektiv zugeben: meines nicht. Ganz besonders dann nicht, wenn ich meine Hände nicht sehe und mit virtuellen Objekten interagieren soll. Ohne virtuelle Repräsentanz ist das kein besonders einfaches Unterfangen. Bei Ghostbusters soll man an einer Stelle eine Tür öffnen. Sofern die Gegenstände in der VR manipuliert werden können, wie zum Beispiel Schalter oder Knöpfe, müssen meiner Ansicht nach meine Hände akkurat eins zu eins getrackt werden. Sonst akzeptiert mein Gehirn diese Interaktion einfach nicht als real.

Bei Star Wars sah ich meine Hände, aber die Leap Motion muss die Hände optimal erfassen, um gut zu funktionieren. Am besten klappt das mit gespreizten Fingern vor dem Gesicht, was im Normalfall aber nicht einer natürlichen Interaktion entspricht. Wenn ich meine Hände so bewegen muss, dass ich die zeitliche Verzögerung von RR und VR ausgleiche, so ist das eben nicht natürlich und ein heftiger Immersionsbrecher. Nicht ich muss den Lag ausgleichen, sondern es darf keinen Lag geben. So einfach eigentlich, und doch so komplex in der Umsetzung.

Sprechen wir nun über virtuelle Gegenstände, mit denen mein Protonenpack interagieren kann, in dem sie durch Beschuss durch die Gegend fliegen. Hier ergibt es keinen Sinn, die Gegenstände zu mappen. Bei Ghostbusters steht zum Beispiel ein echtes Sofa bereit, das gemappt wird. Doch wenn man sich nicht absichtlich ans Antatschen macht oder aus Versehen dagegen stößt, ist das extrem unnötig. Und warum mappen wir ein Sofa, gegen das ich stolpern kann, aber nicht die Kaffeekanne, die ich vom Tisch geschossen habe, die nun vor mir liegt und durch die ich hindurchlaufen kann? Inkonsistent reduziert die Immersion.

Auch das Wind-Feedback oder Hitze und Kälte akzeptiert mein Gehirn einfach nicht als „echt“, da sich die Effekte nicht so anfühlen, wie sie sich anfühlen müssten. Das bedeutet, ich habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, genau die Szene zu erleben die meine Augen wahrnehmen und mein Gehirn interpretiert. Ständig habe ich das Gefühl, dass mein Gehirn zwischen der Wahrnehmung der VR und RR hin und her wechselt. So wie wir Menschen nicht parallel denken können, sondern immer seriell mit kurzen Switch-Zeiten die verschiedenen Tätigkeiten abarbeiten (vereinfacht dargestellt). Es ist schwer, das jemanden zu beschreiben, der noch nicht diese Erfahrung gemacht hat. Für mich ist es so, als befände ich mich in der Matrix, mit dem Wissen um die Matrix. Cypher spricht mir in der Steak-Szene im Restaurant mit Agent Smith aus der Seele. Nicht-Wissen kann ein Segen sein.

Aus diesem Grund habe ich für mich entschieden, dass es aktuell besser ist, eben keine Hyper Reality Experience zu erleben, so lange die HMDs nicht hochauflösender sind, das Tracking viel akkurater wird und ich meine Hände und meinen Körper eins zu eins in der VR sehe. Vielleicht erlaubt mir mein blödes Primatenhirn ja dann doch noch, voll in die virtuelle Realität einzutauchen, sodass VR und RR miteinander verschmelzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind das nette Spielereien, die zwar das ein oder andere Mal ein „Ah! Nett“-Erlebnis auslösen, aber eben nicht durchgängig die Immersion erhöhen. Auch liegt das sicherlich an meinen sehr hohen Ansprüchen. Andere Personen mit weniger Erfahrung sind sicherlich hin und weg. Und ich freue mich sehr für sie.

Gerade The Void enttäuscht mich sehr. Dem Hype, den sie um Ihre Technologie anheizen, werden sie in meinen Augen aktuell nicht gerecht. Die acht Minuten, die die Erfahrung dauert, verbringe ich zu einem sehr großen Teil mit Rumstehen und durch die Gegend schauen. Beim Schießen muss ich mich nicht bewegen. Das heißt, wir gehen in den nächsten Raum, warten die gescripteten Events ab und schießen dann im Stehen los. Die restlichen RR <–> VR Interaktionen im Verlauf des Spiels beschränken sich auf sehr wenige Punkte und dann meist nur durch eine Person aus der Gruppe. Und dafür sind diese acht Minuten auch noch teuer.

Fazit

Mein Vorschlag: Wie wäre es, wenn wir das Feld der Hyper Reality der Augmented Reality überlassen und die VR den Bewegungsautomaten und den Custom Controllern? Macht dann nicht jede Technologie das, was sie am besten kann?