Etwa eine Woche ist vergangen, seitdem die Vorwürfe aufkamen Oculus würde sich Exklusivität mit Geld erkaufen. Die beiden Nerds
Yannic und
Chris haben sich die Zeit genommen um mit ein wenig Abstand die ganze Sache nochmal Revue passieren zu lassen.
Yannic
Was hallte vor einer Woche nicht für ein Aufschrei durch die Foren und Facebook-Kommentarspalten.
Oculus besticht Entwickler! Sie nehmen uns unsere Spiele weg! Holt die Fackeln und Mistgabeln raus Leute, wir treiben eine Sau durchs Dorf!
Fassen wir noch einmal kurz zusammen was passiert ist: Auf der E3 2016 wird „
Giant Cop“ auf der PC Gaming Show vorgestellt. Exklusiv für die Oculus Rift. „Moment mal!“ rufen da die aufmerksamen Zuschauer. Wurde das Spiel nicht mal ursprünglich für die HTC Vive entwickelt? Verwirrte Gesichter machen sich breit. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Auftritt des Kronzeugen: die Entwickler von Serious Sam VR lassen verlauten, dass Oculus auch ihnen einen – umgangssprachlich – „scheißgroßen Haufen“ Geld angeboten hat, damit sie exklusiv für sie entwickeln. Den haben sie – die Ritter in strahlender Rüstung – natürlich nicht angenommen.
Auf Nachfragen äußert sich auch
Gabe Newell zu dem Fall: Nie, nie, niemals, never ever würde Valve Geld an Entwickler zahlen, damit diese Angebote exklusiv für die Vive entwickeln. Der Fall scheint gelöst, die Akte geschlossen, die Fronten klar. Oculus, das Findelkind von Datenkrake Facebook, hat sich der dunklen Seite der Macht verschrieben, während Gabe Kenobi und seine Jedi-Ritter weiter für die gerechte Sache streiten.
Das scheint mir jedoch ein wenig zu einfach. Und man mag mir verzeihen, wenn ich mir schwer tue auf diesen Gedankengang weiter einzugehen, wenngleich mir dieser aufgrund seiner Dramatik wirklich gut gefällt. Dröseln wir die Sache mal auf und machen mich zumindest für die restliche Länge des Textes zum Advocatus Diaboli.
Die Sache mit der Exklusivität
Zuerst gilt es festzustellen, dass Oculus, zumindest laut eigener Aussage, kein Exklusivität kauft. Ob man ihnen nun glaubt oder nicht, ist jedem selbst überlassen, aber man muss anerkennen, dass Oculus die Vorwürfe bestreitet. Der zweite, bisher oft außer Acht gelassene, Fakt: Wenn Oculus ein Studio unterstützt kommt, wenn überhaupt, ein zeitexklusiver Deal für Oculus Home zustande. Zwar kann praktisch nur die Rift Gebrauch von Oculus Home machen, faktisch wäre dies jedoch mit jedem Headset möglich, welches das Oculus SDK als Grundlage nutzt. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Dieser kommt zwar noch nicht zum Tragen, könnte dies in Zukunft jedoch tun. Zumindest wenn erst einmal genügend neue Headsets auf den Markt geschwemmt werden.
Doch vergessen wir einmal kurz den Streit, wer wem warum wieviel Geld geboten hat. Diese Praxis ist längst Gang und Gäbe bei allen großen Publishern. Sony und Microsoft bezahlen zuweilen sogar die Entwicklungen ganzer Spiele um sie exklusiv für ihre Marke anbieten zu können und so ein gewisses Klientel zu bedienen.
Die verschiedenen Klientel
Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt bedienen die verschiedenen, auf dem Markt erhältlichen VR Plattformen, ein ganz unterschiedliche Klientel. Die Möglichkeit sich im Raum zu bewegen ist eine Einzigartigkeit der HTC Vive. Und auch die nachgereichten Oculus Touch-Controller werden an dieser Tatsache nichts ändern können. Wer die HTC nutzt, will ein eigenes Holodeck, offene Strukturen und hat genügend Platz und Geld, um sich das Headset zu gönnen. Die Oculus ist für diejenigen, die ebenfalls ein hervorragendes VR-Erlebnis wollen, aber einfach nicht den Platz haben, um die Vorteile der Rift auszunutzen. Vielleicht will ein Oculus-Spieler auch einfach nur für klassische Spiele in virtuelle Realitäten eintauchen, ohne viel vor einer Kamera herumhampeln zu müssen. Oculus weiß, dass sie nicht die verstärkte Immersion einer HTC erreichen können und versucht jetzt natürlicherweise mit Inhalten zu punkten, welche Steam nicht bieten kann.
Eine weitere Nutzergruppe wird sich mit dem Release der Playstation VR auftun: Das entspannte Wohnzimmer VR, welches wohl vor allem punktiert ausgeführt wird. Als Happening – oder als Mehrspielererlebnis auf dem nächsten Party-Abend. Einer spielt mit der VR Brille, die anderen ganz typisch mit Controllern. Für Playstation VR benötigt man keine kostspielige Rechenpower – ein unschlagbarer Vorteil, wenn man die Verbreitung der Playstation 4 berücksichtigt.
Zu guter Letzt darf auch die Fraktion der Mobile VR Nutzer nicht außer Acht gelassen werden. Samsung Gear VR oder eine der wesentlich günstigeren Cardboard-Varianten ermöglichen – zumindest in der Theorie – Millionen von Smartphone-Besitzern einen kostengünstigen, wenn auch limitierten Einstieg in die VR-Welt. Urlaubsfotos und Filme werden in Zukunft möglicherweise überwiegend in VR betrachtet, kleine Minispiele für zwischendurch oder der persönliche Kinosaal könnten zur Norm werden.
Das bedeutet
Wie lautet also das Fazit? Kauft sich Oculus Exklusivität? Jein. Ist das schlimm? Kommt auf die Sichtweise an. Viele unserer Leser fordern in den Kommentaren ein ganzheitliches System für VR. Sie wollen nicht die VR-Wars, so wie es einst (und zuweilen immer noch) die Console-Wars gibt. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass ein Monopolist niemals gut ist. Man könnte jetzt anbringen, dass man sich ja nur auf eine gemeinsame Programmierbasis einigen muss. Aber auch das ist zu kurz gegriffen. PSVR und Mobile VR können gar nicht auf der gleichen Grundlage wie die Vive oder die Rift funktionieren. Diversität kann etwas Tolles und Erfüllendes sein. Wir können uns sogar nur wünschen, dass VR sich in Diversität ergibt. Jeder kann so seine eigene Plattform finden, seine eigene Möglichkeit wie er VR nutzt. Ja es gibt Windows und Apple und Linux. Es gibt Microsoft und Sony und Nintendo. Es gibt tausende von Fernseh- und Waschmaschinenherstellern. Doch die Welt dreht sich weiter.
Wir alle sind in der Lage zu wählen was wir wollen, was besser zu uns und unseren Bedürfnissen passt. Und wenn wir bestimmte Geschäftsgebaren nicht unterstützen wollen, können wir immer noch Abstimmen: Mit unserem Geldbeutel.
Chris
Auch wenn ich die sehr neutrale Sicht von Yannic teilweise teile, gebe ich gerne meinen Senf dazu. Meiner Meinung nach sind exklusive Titel immer schlecht. Egal ob es Gang und Gäbe ist. Dies macht den Fakt und das Resultat nicht besser. Die Argumentation von Oculus, dass Sie Entwicklern nur damit unter die Arme bei der Entwicklung greifen wollen, geht für mich nicht 100% auf. Warum? Es gibt einige Anzeichen, dass Oculus Entwicklern Geld für zeitliche begrenzte Exklusivität bietet. Auch wenn das Spiel schon in den Startlöchern steht. Spannend bleibt, ob die Kingspray Graffiti Entwickler zum nächsten Fall werden, denn die Anwendung sollte lange veröffentlicht sein und es wurde plötzlich still. Dabei ist zu beachten, dass die HTC Vive Version (für alle die eine bekommen haben) hervorragend läuft.
Ich habe einfach das Gefühl, dass Oculus sich Exklusivität einkauft. Das finde ich halt persönlich nicht so gut. Das die Spiele nur zeitlich exklusiv sein sollen, hilft mir wenig weiter. Als Gamer will ich die Spiele SOFORT! Nach einem halben Jahr, wenn kein Hahn mehr danach kräht, kauf ich das Spiel vermutlich nicht mehr.
Somit bleibt für mich als Gamer nur etwas Traurigkeit zurück, die aber den Spielspaß nicht bremst. Zwar habe ich aktuell deutlich mehr Spaß mit der HTC Vive, doch die Rift wird mit den Touch Controllern deutlich aufholen. Da bin ich mir sicher. Wenn man lange Zeit mit der Vive gespielt hat, ist ein nicht getrackter Controller einfach ein deutlicher Rückschritt und daher begeistern mich die Rift Titel aktuell etwas weniger, auch wenn sie teilweise deutlich polierter sind.
Eine spannende Zukunft liegt vor uns und es bleibt zu hoffen, dass nicht alle Entwickler die zeitliche Exklusivität bevorzugen.