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Kommentar: Virtual Reality auf dem Weg in die Sackgasse

Viel Spaß!

Nach der Kickstarter-Kampagne von Oculus im Jahr 2012 war für viele Menschen klar: Virtual Reality kommt zurück und die Technologie wird nicht wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwinden. Vergleiche zu anderen Hypes in der Elektronikwelt werden konsequent abgelehnt, weil viele große Unternehmen viel Kapital in die Entwicklung stecken und neue Märkte erschließen. Doch führt dieser Umstand wirklich zu einer tiefen Marktdurchdringung bei den Konsumenten, obwohl die Technik auch heute eventuell noch nicht ausreicht, um die großartigen Versprechungen zu erfüllen?

Virtual Reality: Die Technik ist noch nicht reif

Die aktuellen Virtual-Reality-Brillen von Sony, HTC und Oculus sind den VR-Brillen aus den 90er Jahren um Einiges voraus. Die Displays haben sich verbessert, der Formfaktor ist besser und der Nutzer kann sich jetzt auch ein paar Meter in der virtuellen Welt „frei“ bewegen. Doch auch wenn die aktuelle Erfahrung bereits für offene Münder beim ersten Vorführen sorgt, so nutzt sich der VR-Effekt doch ziemlich schnell ab. Wenn sich der Euphorienebel legt, dann kommen die Unzulänglichkeiten an Tageslicht und nagen an den Nerven der Anwender. Denn die Wirklichkeit ist, dass die VR-Brillen auch im Jahr 2017 den Nutzer noch extrem einschränken und mit technischen Hürden gängeln. So müssen Sensoren aufgestellt und Spielfelder angelegt werden, die Auflösung verhindert die Lesbarkeit von kleineren Texten und die Darstellung fordert so viel Rechenleistung, dass die virtuellen Welten derzeit nicht mit einer möglichst realistischen Grafik dargestellt werden können. Kein Problem für echte Nerds? Logisch. Doch eventuell ein Problem für einen echten Massenmarkt. VR-Brillen sind aktuell keine Entlastung für den Anwender, sondern eine zusätzliche Belastung. Deshalb werden VR-Brillen auch in naher Zukunft nicht die Gesellschaft verändern werden.

Google Trend: Virtual Reality

Wenn sich Virtual Reality durchsetzen will, dann dürfen sich die Hersteller nicht auf der aktuellen Generation ausruhen und den Markt beobachten. Doch die Innovationswut scheint abzunehmen und die derzeitige Generation wird zwar bald um die Windows-Mixed-Reality-Brillen ergänzt, aber eine neue Generation wird wohl in diesem Jahr nicht mehr eingeläutet.

Ein schönes Beispiel für den technischen Stillstand sind die stetigen Neuauflagen der Gear VR, bei welcher seit Jahren nur minimale Anpassungen vorgenommen werden. Da hilft auch die Veröffentlichung eines Wii-ähnlichen Controllers nichts. Nicht dass die Gear VR schlecht wäre, ganz im Gegenteil, aber etwas mehr Mut hätte Samsung nicht schlecht gestanden. Besonders wenn man bedenkt, dass das aktuelle Interesse an VR von Enthusiasten getrieben wird, welche nicht auf jeden Euro beim Kauf eines neuen Spielzeuges achten.

Doch der Schuldige für die VR-Flaute ist schon gefunden: Hardware-Hersteller sagen öffentlich, dass der Content nun wichtiger sei als neue Headsets. Doch ist das wirklich so? Schränkt nicht die aktuelle Hardware die Möglichkeiten so stark ein, dass Spielspaß über einige hundert Stunden ein unerreichbares Ziel für Entwickler ist? Bei vielen VR-Spielen wird man das Gefühl nicht los, dass gerade mehr Workarounds als Inhalte präsentiert werden. Zudem berichteten uns auf der gamescom einige Entwickler, welche bereits realtiv gut laufenden VR-Spiele entwickelt haben, dass ihre nächsten Projekte wieder Spiele für den Monitor werden. Sicherlich auch eine finanzielle Entscheidung aufgrund der geringen Verbreitung der Brillen. Ein Resultat aus nicht vollends überzeugender Hardware, Software und eines zu hohen Preises. Waren die Enthusiasten wieder der Zeit vorraus und bald steht eine neue VR-Eiszeit an?

Die Flucht in die VR Arcades

Nachdem die Industrie VR unbedingt in die Haushalte bringen wollte, kam durch HTC und einige private Investoren die Kehrtwende. Die große Zukunft von VR sei nicht nur in den privaten Haushalten zu finden, sondern auch oder gerade besonders in Arcades. Richtig: Das sind die Spielhallen mit den Automaten die Kinder aus den 80iger Jahren meistens nur aus Urlauben kennen. Neben der zeitweise verschwundenen VR-Technik aus den 90ern sollen nun also auch solche Einrichtungen eine zweite Chance erhalten. Dabei ist zweite Chance wohl eher auf den westlichen Teil der Welt bezogen, denn in weiten Teilen Asiens spielten Arcades und PC-Bangs immer eine wichtige Rolle.

In Deutschland können wir aber dennoch von einem Comeback dieser Einrichtungen sprechen. Beim aktuellen Trend zu Retro-Spielen könnte auch ein Besuch von Arcades für Nicht-VR-Nerds hip werden. Doch wird dieser Trend länger anhalten? Die Möglichkeiten durch die Virtual-Reality-Technologie sind in Arcades deutlich größer. Wer bereits ein Spiel gespielt hat, welches durch haptische Elemente erweitert wird oder in einem Simulator mit VR-Brille saß, der will nicht wieder zurück an den heimischen PC, an dem aktuell nur Augen und Ohren in eine andere Welt entführt werden. Ist die Arcade-Halle beziehungsweise ein Event-Charakter also die Zukunft? Durchaus denkbar. Ist dieser Weg doch eher eine Sackgasse? Ebenfalls nicht auszuschließen. Denn wenn die Hauptanwendung innerhalb solcher Einrichtung stattfindet, werden sehr viele Hersteller die Entwicklung von neuen Produkten hinten anstellen, denn diese wollen in die Haushalte. Somit könnte eine Verlangsamung der Entwicklungen einsetzen, die die Verfügbarkeit von VR-Brillen mit Sonnenbrillenformfaktor in noch weitere Ferne rückt. Die Frage aktuell ist, ob Preis, Qualität und Inhalte in Einklang gebracht werden können, bevor das Interesse der potentiellen Zielgruppe wieder gegen Null geht.

Anders heißt nicht schlechter

Doch auch wenn Virtual Reality aktuell noch zu keinem Massenphänomen geworden ist, heißt das nicht, dass tatsächlich VR wieder komplett verschwinden wird. Ohne die damaligen Arcades wären die Heimkonsolen vielleicht nie erschienen. Doch eventuell werden Virtual-Reality-Brillen in wenigen Jahren komplett anders aussehen und ein deutlich eigenständigeres Produkt werden. Die Veröffentlichung von autarken VR-Brillen durch HTC und Lenovo sind ein erster Schritt in diese Richtung. Eine überzeugenende Verbindung aus VR- und MR-Brille scheint auch nicht in allzuweiter Ferne zu liegen, denn die Verdeckung der Welt gelingt bereits der HoloLens von Microsoft in dunklen Räumen erstaunlich gut. Eine VR/AR-Brille, die autark funktioniert und für High-End-Inhalte mit dem PC verbunden werden kann, würde sicherlich den Geldbeutel bei einigen Kunden etwas lockerer sitzen lassen.