Nachdem wir Mario Kart VR und Dragonball VR auf unserem einwöchigen Tokio-Trip ausprobieren konnten, stand nun das kooperative Warehouse-Scale-VR-Erlebnis Zero Latency auf unserer Liste. Zero Latency ist uns schon länger ein Begriff: Das Projekt stammt aus Australien und war eines der ersten Warehouse-Scale-VR-Erfahrungen, die es auf der Welt gab. Neben den Installationen in Tokio und Osaka in Japan gibt es noch weitere Locations in Nordamerika, Spanien und in Australien selbst.
Sega Joypolis: Vier Stockwerke Arcade-Action
In unserem Fall war das System Teil der riesigen Sega Joypolis Arcade. Eine exklusive Arcade-Halle, die sich in Angebot und Größe von den üblichen Arcades in Tokio unterscheidet. Man könnte die Dimensionen vielleicht mit einem kleineren Kaufhaus vergleichen. Die Halle erstreckt sich über vier Stockwerke, auf denen unterschiedliche und meist überdimensionierte Arcade-Automaten platziert sind. Racing-Simulatoren bestehen aus echten Autos, die auf Bewegungsplattformen montiert sind, und eine Achterbahn brettert durch die gesamte Halle. Zusammen mit einem Skateboard-Simulator, der eher an ein Fahrgeschäft aus einem Outdoor-Freizeitpark erinnert, sind das die Highlights der Arcade. Weitere VR-Erlebnisse außer Singularity fanden wir dort aber leider nicht mehr.
Die besondere Hardware ermöglicht Warehouse-Scale-VR
Im Gegensatz zur amerikanischen Konkurrenz von The Void verzichten die Australier vollkommen auf haptische Elemente und lassen das gesamte Szenario in einer leeren Halle stattfinden. Dabei setzen sie auf ein völlig eigenes Tracking-System, das scheinbar auf einem ähnlichen Konzept wie das der PSVR und deren Move-Controllern basiert. Am Kopf und an dem Waffen-Controller sind jeweils PlayStation-Move-ähnliche Leuchtbälle angebracht, die dann mit mehreren Kameras rund um das Spielfeld erfasst werden können.
Als Head-Mounted-Display verwendete man die OSVR von Razer. Der Waffen-Controller war relativ groß und hatte ein angenehmes und realistisch wirkendes Gewicht. Leider gab es keinen Rückstoß oder etwas ähnliches. Ähnlich wie bei fast allen anderen Warehouse-Scale-Systemen benutzen die Entwickler von Zero Latency Rucksack-PCs. Der große Unterschied hier ist allerdings, dass sie nur ein relativ schwaches PC-System verwenden. Die Daten werden laut Betreiber erst an einen Server schickt, auf dem sie gerendert und erst dann wieder zurück an den Rucksack-PC geschickt werden. Das spart etwas Gewicht und wahrscheinlich auch Akkuleistung. Ob das ohne Latenz funktionieren kann? Denn jede Strecke, die die Daten über die Luft zurücklegen, sollten die Latenz drastisch erhöhen und damit das Spielerlebnis mit Verzögerungen auf die Brille bringen. Was in einer schlechten Erfahrung enden würde. Wir waren skeptisch.
Unsere Erfahrung aus der Lagerhalle
Dieses Mal waren wir zu dritt. Phillip, Vladimir (bekannt als VR-Human) und ich. Es dauerte einige Minuten, bis wir den Rucksack, die VR-Brille und den Gun-Controller angelegt bekommen haben. Trotz Brille habe ich normalerweise keine Problem mit der Oculus Rift oder der HTC Vive, aber die OSVR-Brille drückte gleich an mehreren Stellen. Doch ein echter VR-Nerd lässt sich eine solche Warehouse-Experience durch ein paar Wehwehchen sicherlich nicht entgehen. Ich hatte vor einiger Zeit zwar schon mal eine Warehouse-Scale-Erfahrung mit dem Illusion-Walk System aus Berlin gehabt, allerdings war diese zu dem Zeitpunkt eher eine Preview. Meine Erwartungen an Warehouse-Scale-VR waren generell relativ hoch. Was sollte es zur Zeit besseres geben, als quasi frei durch virtuelle Welten zu spazieren?
Das Szenario, welches wir im Koop-Mode zu dritt durchlaufen konnten, hieß Singularity und basiert scheinbar auf dem gleichnamigen PC-Spiel aus dem Jahr 2010. Da das Spiel offensichtlich nicht explizit für Virtual Reality Hardware gemacht wurde, ist es nachvollziehbar, dass die Waffe viel zu groß dargestellt wird. Jedenfalls fiel mir dieses Detail als erstes auf. Gefolgt von einer unklaren Sicht und einem ungewohnt schlechten 3D-Effekt. Beides wahrscheinlich Probleme, die auf die OSVR-Brille zurückzuführen sind. Der visuelle Eindruck war weit unter dem, was ich sonst von Rift und Vive gewohnt war. Nachdem ich versucht hatte, die VR-Brille etwas zu justieren, kam ich zu dem Schluss, dass ich mich für die nächsten Minuten wohl an diese Makel gewöhnen musste. Ich entdeckte meine beiden Begleiter und freute mich, dass ich dieses Erlebnis nicht alleine durchwandern muss. Via Sprachchat konnten wir uns recht gut verständigen.
Schritt für Schritt durch Singularity
Zunächst sollten wir auf die markieren Bereiche gehen, damit das Erlebnis beginnen konnte. Schon auf diesem kurzen Weg stellte ich fest, dass die Latenz definitiv spürbar war. Die Verzögerung war so deutlich, dass ich mich nur sehr vorsichtig Schritt für Schritt vorwärts bewegen konnte. Was auch daran lag, dass ich meine eigenen Beine nicht sehen konnte. Das Problem kannte ich zwar schon von anderen VR-Spielen, aber zusammen mit der Latenz war das Gehen wirklich nicht angenehm und weit weg von dem, was ich erhofft hatte. Damit war das eigentliche Kernargument der Warehouse-Scale-Geschichte für mich mit einem Schlag zerstört. Doch wie wir wissen: Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier. Außerdem wäre es nicht das erste mal, dass ich mit einem geleeartigen Beingefühl durch die Gegend taumle. Stichwort Alkohol. Nachdem ich endlich den Weg zur Startposition erfolgreich bestritten hatte, war ich startklar für den Trip durch die von Roboterwesen besetzte Raumstation.
Singularity von Zero Latency ist ein Waveshooter+
Die Entwickler gaben uns einen Moment, um uns orientieren zu können, bevor die erste Welle von Gegnern von allen Seiten auf uns zukam. In diesem ersten Moment der Bedrohung nutzen wir den Sprachchat um abzusprechen, wer von uns welche Seite übernimmt. Tatsächlich kam an dieser Stelle ein Gefühl von Kooperation auf. Kurz danach wurde unsere Gruppe für einige Minuten getrennt und dann wieder zusammengeführt. Man erfreute sich an dem Wiedersehen. Das hat mir gefallen, denn in vielen Koop-Shootern koexistiert man zwar, doch oft eher nebeneinander her und jeder macht doch sein eigenes Ding.
Nach der ersten Action wurden wir nun via Ansage und Wegweisern zum nächsten Checkpoint geleitet. Mir fiel auf, dass die Angreifer immer nur dann kamen, wenn wir einen dieser Checkpoints erreicht hatten und wir uns nicht weiter fortbewegen mussten. Da die Fortbewegung sowieso schon eine Herausforderung an sich war, kann ich die Entscheidung der Entwickler gut nachvollziehen, die Kampfhandlungen lieber nicht während des Gehens stattfinden zu lassen. Allerdings ergibt sich dadurch für mich ein weitere großer Kritikpunkt, denn unterm Strich haben wir es hier wieder nur mit einem Waveshooter zu tun, der durch kleine Spaziergänge durch das Raumschiff erweitert wurde.
Eine Warehouse-Scale-Erfahrung habe ich mir anders vorgestellt. Rumballern kann ich mit meinem VR-Device auch zu Hause. Ich erwarte in der VR eine spannende Reise und die Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden. Eine Erfahrung sollte wie aus einem Guss wirken und nicht wie etwas Zusammengesetztes. Die letzte Welle bestand aus einem großen Endgegner, der einem trotz seiner Dimension und seiner Superwaffe nur wenig Unbehagen einflößen konnte. Auch wenn die Grafik für VR-Verhältnisse über dem SteamVR-Durchschnitt lag, litt die Atmosphäre allgemein an dem für meinen Geschmack zu überladenen Art-Style. Nach rund zehn Minuten war der Trip vorüber.
Fazit: Zero Latency enttäuscht
Zero Latency hat mich desillusioniert und meine vielleicht zu hohen Erwartungen an Warehouse Scale VR weit unterboten. Das lag nicht nur an der hohen Verzögerung und dem schwammigen Spielgefühl, sondern auch an der Software und an dem Game-Design selbst. Auf der Vive und der Rift hatte ich schon wesentlich bessere VR-Erfahrungen. Warehouse-Scale-VR-Projekte sollten meiner Meinung nach ihre Vorzüge der natürlichen Fortbewegung nutzen und mehr auf Dinge wie Exploration und Kooperation und weniger auf klassisches Rumgeballere setzen.