Natürlich gibt es noch weitere Szenarien die vor allem in VR sehr gut funktionieren würden. Der »Body Horror« ist hierbei ein mögliches Szenario. Die Angst vor der Verstümmelung oder Perversion bekannter, körperlicher Formen – gute Beispiele sind hier die Spiele der Silent Hill Serie. Denkbar wäre ein Szenario, in welchem der Protagonist im Laufe der Story selbst Veränderungen oder Verstümmelungen des eigenen Körpers erlebt, welche auch im Gameplay eingebunden werden – so wird zum Beispiel der linke Motion- oder Vive-Controller nicht mehr getrackt, nachdem dieser Arm abgetrennt wurde. Da der Spieler den Körper des Protagonisten mit seinem eigenen identifiziert und gleichsetzt, fördert dies eine starke emotionale Bindung.
Besonders in der virtuellen Realität darf die Macht des Verstandes nicht vernachlässigt werden. Dieser hat schließlich die Angewohnheit oft genug gegen seinen Besitzer zu arbeiten und lässt sich in der virtuellen Realität leicht täuschen. Schatten an den Wänden können sich bewegen, man kann schemenhafte Verfolger nur im Augenwinkel des Spielers erscheinen lassen und mit 3D-Sound für eine vollumfängliche Atmosphäre sorgen, in welcher der Verstand und das Spiel zu einer funktionierenden Einheit verschwimmen, solange dafür gesorgt wird, dass der Verstand die im Hintergrund laufenden Schemata nicht gänzlich verfasst. So kann ein gut gesetzter Jumpscare zum rechten Zeitpunkt dafür sorgen, dass der Verstand sich auf einen erneuten einstellt – und lange Zeit keinen mehr bekommt, was ebenfalls zu einer Verstärkung der selektiven Ängste führt.
Doch auch Abseits von puren Szenarien bieten sich in der virtuellen Realität weitere Möglichkeiten, die so nicht oder nur schwer mit normalen Spielen umzusetzen sind: So wäre es auch möglich, wenn Eye-Tracking flächendeckend in den nächsten Generationen der VR-Headsets verbreitet ist, dies in einem Horrorspiel zu nutzen. So könnte bereits ein Blinzeln ausreichen um dem Spiel die Möglichkeit zu geben Sachen erscheinen oder verschwinden zu lassen. Diese immersive Erfahrung – das Betrügen der eigenen Sinne – könnte somit auf ein neues Niveau gehoben werden. Auch wäre es möglich in dem ohnehin komplexen Setup einer kompletten VR-Erfahrung einen Pulsmesser an den Spieler zu hängen, der es dem Spiel ermöglicht sich an den Stresslevel des Spielers anzupassen. Vor allem VR-Arcade-Hallen könnten hier besondere Erfahrungen liefern, wenn das Real-Life Setting noch passende Gegenstücke anbietet und seien es nur Spinnennetze, die die Haut des Spielers streifen.
Bloß keinen Herzinfarkt
Bei all den Möglichkeiten, die VR bietet, um ein wesentlich intensiveres und womöglich faszinierenderes Horrorerlebnis zu erschaffen dürfen die Gefahren einer solchen Erfahrung nicht aus den Augen gelassen werden. Das jemand tatsächlich einen Herzinfarkt während eines Horrorspiels bekommt ist zwar außerordentlich gering und kann ohne entsprechende Vorerkrankung beinahe gänzlich ausgeschlossen werden. Nichts desto trotz gibt es einige Feinheiten, die es zu beachten gilt.
Wie bereits erwähnt ist Horror in VR eine wesentlich immersivere Erfahrung als bei klassischen Spielen ohnehin. Trigger-Warnungen bei besonders heftigen Szenen sollten hier also eingeblendet werden – es gilt ebenfalls darüber nachzudenken, ob bestimmte Szenen in dem Spiel vorkommen müssen. Eine Vergewaltigung beispielsweise könnte selbst bei Menschen, die solch ein furchtbares Erlebnis noch nicht im echten Leben erleben mussten, genauso traumatisierend sein. Zugleich gilt ein Horrorerlebnis natürlich als Grenzerfahrung und jeder sollte selbst entscheiden wie viel er sich zumutet – dennoch sollte bereits vor dem Kauf auf solch explizite Szenen hingewiesen werden, auch wenn eine Spoilergefahr dadurch herrscht. Allgemein sollten Horrorspiele in VR erst ab 18 freigegeben werden, da die Auseinandersetzung mit den hier gängigen Szenarien für Heranwachsende nicht geeignet ist. Alles in allem bietet VR jedoch die Möglichkeit zu grenzüberschreitenden, noch nie dagewesenen Horrorspielen.
(Bildquelle: Capcom)