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Wie Horror in Virtual Reality funktioniert

Bildquelle: Capcom

Viel Spaß!

Horror und Gruselgeschichten gehören zu einem uralten Erbe. Die Märchen der Brüder Grimm sind in ihrer Originalfassung schonungslos und haben wenig mit den Disneyversionen gemein. Mit “Nosferatu” erblickte bereits 1922 einer der ersten Horrorfilme das Licht der Welt und auch Videospiele entdeckten das Schaurige und Makabere für sich.

Nun ist es also auch an der virtuellen Realität sich der Abgründe der menschlichen Seele anzunehmen, um jenen Spielern die waghalsig genug sind sich den Schreck ihres Lebens einzujagen. Dabei greifen VR-Spiele auf die bereits bekannten Formeln der klassischen Spieleentwicklung zurück. Und das, obwohl VR so viel mehr Möglichkeiten bietet – und neue Probleme beinhaltet. Was macht also ein gutes Horrorspiel aus und vor allem: Welche Rolle nimmt dabei die Virtual Reality ein?

Ohne Angstlust machen VR-Horrorspiele keinen Spaß

First Things First: Menschen die gerne Horrorspiele spielen oder sich Horrorfilme ansehen partizipieren dabei an der sogenannten Angstlust. So nennt man das zwiegespaltene Gefühl, bei der aus einer Angstphase oder aus ihrem erfolgreichen Überstehen ein erregendes Erlebnis erwächst. Diese Angstlust gibt es dabei in zwei Abstufungen:

  1. Die eigene Aktion, beispielsweise beim Extremsport wie Bungee-Jumping
  2. Das Zuschauen bei einer solchen Aktion, ohne dass man selbst in Gefahr ist; zum Beispiel bei Horrorfilmen oder früher bei den Gladiatorenkämpfen im Kolosseum.

Videospiele waren bisher zumeist in der zweiten Abstufung anzutreffen – man steuert einen Protagonisten, dessen Leben zwar womöglich in Gefahr ist, der jedoch durch einen Bildschirm von einem selbst abgetrennt ist. Somit besteht zwar die Möglichkeit einer emotionalen Bindung zu der Figur, ohne jedoch direkte Auswirkungen auf das Wohl des Spielers zu haben.

Bei VR sieht diese Sache jedoch anders aus – hier gibt es keine Grenze mehr zwischen Protagonist und Spieler – der Spieler ist der Protagonist, schaut in der Regel durch dessen Augen und bestimmt dank Motiontracking auch seine Bewegungen in einem weit weniger abstrakten Rahmen als einer klassischen Gamepad Steuerung.

Das bedeutet also, dass der Spieler in einem Virtual Reality Horrorspiel wesentlich involvierter ist, als in einem klassischen Videospiel. Der Spieler taucht gänzlich in die verdrehte und abnorme Welt des Spiels ein, anstatt diese nur als Zuschauer wahr zu nehmen. Er wird ein Teil von ihr.

Subtilerer Horror oft besser als einfache Jump Scares

Viele aktuelle Horrorspiele in VR funktionieren beinahe ausschließlich über Jump Scares. Wenngleich diese von Jahrmarktsbuden abgekupferte Variante des Erschreckens durchaus zweckdienlich ist, so verliert sie doch schnell ihren Schrecken, sobald der Mechanismus durchschaut und diese Karte zu oft gespielt wurde.

Dabei kann Horror in VR auf wesentlich subtilere Art und Weisen stärker erzeugt werden. Dafür muss man sich nur mit der menschlichen Psyche beschäftigen, denn diese bietet ein Füllhorn an Möglichkeiten.

Da wäre zum einen die Angst vor der Dunkelheit – denn wo der Mensch nichts sieht oder nur Schemenhafte Schatten erkennen kann arbeitet die eigene Vorstellungskraft und die ist mächtiger als jeder Kniff eines Gamedevelopers. Wenn man den Spieler durch eine dunkle Lagerhallte streifen lässt, mit Schaufensterpuppen in der Ecke, nur schlecht einsehbaren Winkeln und mit nichts mehr als einer flackernden Kerze ausgestattet treibt das die Vorstellungskraft auch Hochtouren. An dieser Stelle muss nicht einmal ein Jumpscare kommen, der die Situation auflöst. Umso länger eine Situation dauert, ohne das die erwartete Reaktion kommt, umso nervöser wird der Spieler und umso unerträglicher das Szenario. Perfekt für ein Horrorspiel.

Natürlich gibt es noch weitere Szenarien die vor allem in VR sehr gut funktionieren würden. Der »Body Horror« ist hierbei ein mögliches Szenario. Die Angst vor der Verstümmelung oder Perversion bekannter, körperlicher Formen – gute Beispiele sind hier die Spiele der Silent Hill Serie. Denkbar wäre ein Szenario, in welchem der Protagonist im Laufe der Story selbst Veränderungen oder Verstümmelungen des eigenen Körpers erlebt, welche auch im Gameplay eingebunden werden – so wird zum Beispiel der linke Motion- oder Vive-Controller nicht mehr getrackt, nachdem dieser Arm abgetrennt wurde. Da der Spieler den Körper des Protagonisten mit seinem eigenen identifiziert und gleichsetzt, fördert dies eine starke emotionale Bindung.

Besonders in der virtuellen Realität darf die Macht des Verstandes nicht vernachlässigt werden. Dieser hat schließlich die Angewohnheit oft genug gegen seinen Besitzer zu arbeiten und lässt sich in der virtuellen Realität leicht täuschen. Schatten an den Wänden können sich bewegen, man kann schemenhafte Verfolger nur im Augenwinkel des Spielers erscheinen lassen und mit 3D-Sound für eine vollumfängliche Atmosphäre sorgen, in welcher der Verstand und das Spiel zu einer funktionierenden Einheit verschwimmen, solange dafür gesorgt wird, dass der Verstand die im Hintergrund laufenden Schemata nicht gänzlich verfasst. So kann ein gut gesetzter Jumpscare zum rechten Zeitpunkt dafür sorgen, dass der Verstand sich auf einen erneuten einstellt – und lange Zeit keinen mehr bekommt, was ebenfalls zu einer Verstärkung der selektiven Ängste führt.

Doch auch Abseits von puren Szenarien bieten sich in der virtuellen Realität weitere Möglichkeiten, die so nicht oder nur schwer mit normalen Spielen umzusetzen sind: So wäre es auch möglich, wenn Eye-Tracking flächendeckend in den nächsten Generationen der VR-Headsets verbreitet ist, dies in einem Horrorspiel zu nutzen. So könnte bereits ein Blinzeln ausreichen um dem Spiel die Möglichkeit zu geben Sachen erscheinen oder verschwinden zu lassen. Diese immersive Erfahrung – das Betrügen der eigenen Sinne – könnte somit auf ein neues Niveau gehoben werden. Auch wäre es möglich in dem ohnehin komplexen Setup einer kompletten VR-Erfahrung einen Pulsmesser an den Spieler zu hängen, der es dem Spiel ermöglicht sich an den Stresslevel des Spielers anzupassen. Vor allem VR-Arcade-Hallen könnten hier besondere Erfahrungen liefern, wenn das Real-Life Setting noch passende Gegenstücke anbietet und seien es nur Spinnennetze, die die Haut des Spielers streifen.

Bloß keinen Herzinfarkt

Bei all den Möglichkeiten, die VR bietet, um ein wesentlich intensiveres und womöglich faszinierenderes Horrorerlebnis zu erschaffen dürfen die Gefahren einer solchen Erfahrung nicht aus den Augen gelassen werden. Das jemand tatsächlich einen Herzinfarkt während eines Horrorspiels bekommt ist zwar außerordentlich gering und kann ohne entsprechende Vorerkrankung beinahe gänzlich ausgeschlossen werden. Nichts desto trotz gibt es einige Feinheiten, die es zu beachten gilt.

Wie bereits erwähnt ist Horror in VR eine wesentlich immersivere Erfahrung als bei klassischen Spielen ohnehin. Trigger-Warnungen bei besonders heftigen Szenen sollten hier also eingeblendet werden – es gilt ebenfalls darüber nachzudenken, ob bestimmte Szenen in dem Spiel vorkommen müssen. Eine Vergewaltigung beispielsweise könnte selbst bei Menschen, die solch ein furchtbares Erlebnis noch nicht im echten Leben erleben mussten, genauso traumatisierend sein. Zugleich gilt ein Horrorerlebnis natürlich als Grenzerfahrung und jeder sollte selbst entscheiden wie viel er sich zumutet – dennoch sollte bereits vor dem Kauf auf solch explizite Szenen hingewiesen werden, auch wenn eine Spoilergefahr dadurch herrscht. Allgemein sollten Horrorspiele in VR erst ab 18 freigegeben werden, da die Auseinandersetzung mit den hier gängigen Szenarien für Heranwachsende nicht geeignet ist. Alles in allem bietet VR jedoch die Möglichkeit zu grenzüberschreitenden, noch nie dagewesenen Horrorspielen.

(Bildquelle: Capcom)